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Alumni Newsletter 2/23

Ein Beitrag von Christiane Enkeler, Alumna des Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds

 

Es gab diesen einen Moment, in dem alles stimmte und trotzdem nichts gut war:

An einem Wochenende sitze ich als freie Kulturjournalistin an einem Auftrag, den mir eine Schweizer Redakteurin übertragen hat, weil sie meiner Expertise vertraut. Ich habe also viel in einem Thema recherchiert, in dem ich mich zuhause fühle, und durfte mit Menschen sprechen, die mir genau so kluge Antworten gegeben haben, wie ich es erwartet hatte. Das Thema stimmt, das Menschliche stimmt, sogar Honorar und Zeitrahmen stimmen. Ich bin absolute Expertin auf dem Gebiet. Trotzdem quäle ich mich vorwärts, Wort für Wort.

Das war der letzte Anstoß, die Reißleine zu ziehen.

 

„Diskurse“, und solche führen wir unter Akademiker:innen ständig, bestimmen auch immer Zugehörigkeiten. Das heißt, sie schließen auch aus. Je wichtiger uns unser Diskursthema vorkommt, desto unwichtiger wirkt das ganze ausgeschlossene Feld.

Im schlimmsten Fall merken wir gar nicht, wenn wir uns im Kreis drehen und uns nur noch selbst bestätigen. Der Horizont wird immer kleiner. Die Gespräche werden immer langweiliger.

 

Dabei gibt es genug zu tun: Terrorismus und gerechte Verteilung von Wasser, das, dachte ich zu dem Zeitpunkt, sind die drängendsten Probleme. Auf der Suche nach einem Promotionsthema zu Terrorismus/Amoklauf innerhalb der Kognitionsethnologie hatte ich mich aber irgendwann verrannt. Und als ich bei einer Firma für Brunnenbau wegen einer Ausbildung anfragte, stand am Ende eines langen Gespräches eigentlich das nächste Studium (Hydrogeologie). Das wollte ich nicht.

 

Die Handwerkskammer hat mich dann in ihrer Beratung für Studienabbrecher freundlicherweise beraten, obwohl ich nicht abgebrochen hatte. Mit einem Flyer zur „Anlagenmechanik SHK“ kam ich wieder nach Hause, der erst mal in der Ecke landete. Klempner? Ich? Ich wollte doch irgendwie auch noch die Welt verändern?

 

Dann habe ich näher hingesehen: Der Beruf besteht aus ursprünglich zweien (Gas- und Wasserinstallateur:in und Zentralheizungs- und Lüftungsbauer:in) und bietet schier unendliche Entwicklungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten, von Trinkwasserhygiene über Wasserschaden bis hin zu Erneuerbaren Energien. Anlagenmechaniker:innen SHK sorgen für Wasser und Wärme – und, wie wir jetzt alle wissen, beides sind die Themen der Zukunft. Und, ja, ich wollte vor allem anpacken und konkreter werden.

Letztes Jahr habe ich also die Gesellenprüfung abgelegt als Anlagenmechanikerin SHK (Sanitär Heizung Klima). Das Berufsfeld ist so weit aufgefächert, man wird nie fertig mit Lernen – genau das Richtige für mich!

Ich bin in der Ausbildung zur Staatlich geprüften Technikerin mit dem Schwerpunkt Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Ich hoffe, das durchzuhalten.

 

Bei einem SHK-Einsatz hatte eine Mieterin unseren Aushang missverstanden. Sie war ungeduldig, dass wir noch nicht fertig waren, und sagte mir, die ich in Latzhose vor ihr stand: „Kommunikation... da ist bei Ihnen noch Luft nach oben...“ Ich versuchte einen Scherz: „Luft nach oben – super Stichwort! Wir lassen die Luft aus Ihrer Heizung und füllen unten nach...“. Vollkommen entgeistert schaut sie mich an und sagt: „’Luft nach oben.’ Das ist so eine Redewendung. Damit können Sie nichts anfangen, oder?“

Da stand ich nun, mit meinem Germanistik-Studium und meiner fast 30jährigen Erfahrung im Journalismus, mit meiner Expertise bezüglich Metaphern und Metonymie, und man verstand meinen Witz nicht, weil man ihn mir schlicht nicht zutraute.

 

Wir stehen vor so vielen Herausforderungen, als Gesellschaft, auch global. Ohne Achtung voreinander, ohne Zusammenarbeit, ohne Zusammenspiel zwischen Hand und Kopf wird es nicht gehen. Ohne einen offenen Horizont lösen wir keine Probleme.

Genau diesen offenen Horizont finde ich verlässlich im Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds. Das ist, was ich unter „Bildung“ verstehe. Eindrücke wirklich zu Erfahrungen werden lassen zu können.

 

Junge Frauen und Männer, die sich entscheiden, Anlagenmechaniker:in SHK zu werden, können vom Gymnasium kommen und gleichzeitig (dual) studieren. Oder sie kommen von der Hauptschule und machen erst mal straight ihre Ausbildung. Beide können später exzellente, erfahrene, gesuchte Fachkräfte werden. Ich kenne einige Kollegen mit unterschiedlichsten Hintergründen, bei denen ich mir sicher bin, jederzeit kompetente Antworten zu bekommen. Menschen, die komplexe Anlagen mit viel Sachkunde und Verantwortungsbewusstsein installieren, in Betrieb nehmen, reparieren und warten. Hoch qualifizierte Fachkräfte, die oft genug Überstunden machen, damit wir nicht frieren müssen oder der Keller unter Wasser steht.

 

Wenn mein Workshop im Bildungsprogramm in Kooperation mit der SBB – Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung stattfindet, ergeben sich die inspirierendsten, spannendsten, fruchtbarsten Begegnungen. Die Stipendiat:innen der SBB bringen „richtige“ Berufserfahrungen mit, und das ist so was von wertvoll und bereichernd!

 

Man muss echte Begegnungen nur zulassen.

Das wünsche ich mir sehr auch für unseren Alltag.

Da, wo wir Inspiration nicht unbedingt erwarten...

 

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