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Zeitgeschichte im Spiegel des Strafrechts


17./18. Januar 2020 | Kardinal-Schulte-Haus, Bergisch Gladbach-Bensberg


 

Seminartitel: Zeitgeschichte im Spiegel des Strafrechts

 

Zielsetzung und Zielgruppe

Strafrecht ist ein Kristallisationspunkt für zentrale politische und ethische Fragen. So unterschiedliche und so umstrittene Themen wie Homosexualität, Sitzblockaden, Abtreibung, Cannabis-Konsum, DDR-Mauerschützen und NS-Verbrechen haben den höchsten Gerichten von den 50er Jahren bis zur Gegenwart z.T. mehrfach Anlass gegeben, die Grenzen staatlichen (Un-)Rechts auszuloten. Die gerichtliche Auseinandersetzung mit einschneidenden politischen Ereignissen der Zeitgeschichte zeigt, wie eng die Interpretation von Recht mit dem Zeitgeist verknüpft ist und dass Recht immer auch ein Spiegel der Gesellschaft ist.

 

Die Teilnehmer erwartet also ein Seminar, in dem sie anhand von kontroversen Diskussionen, Vorträgen und eigenen Entscheidungsanalysen über bis heute hochrelevante Fragen sowohl zur privaten Lebensgestaltung als auch zur gesellschaftlichen Ordnung ihre politische Bildung vertiefen und ihr Bewusstsein für die Errungenschaften und auch die Fragilität des Rechtsstaats schärfen können.

 

Willkommen sind alle, die am so konkreten wie bestimmenden Beispiel der strafrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs mehr über gesellschaftspolitische Richtungsentscheidungen erfahren möchten. Behandelt werden die bis heute aktuellen Fragen zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, zum zivilen Ungehorsam, zum Beginn des Lebens, zur Trennung von privaten und öffentlichen Lebensbereichen und zur Aufarbeitung der NS-Zeit. Dabei schulen die Teilnehmer auch ihre Fähigkeit, Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin zu prüfen und in Alternativen zu denken.

 

Juristische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Auch Jura-Studenten profitieren, weil diese – im Studium selten behandelten – Entscheidungen strafrechtliches Grundlagenwissen anschaulich vermitteln.

 

Vorgehensweise

Einführend erhalten die Teilnehmer anschauliche Erklärungen zur Bedeutung von Strafrecht und zu den Grundzügen strafrechtlicher Entscheidungsfindung. Dann werden höchstrichterliche Entscheidungen zu sechs Themenkreisen vorgestellt. Dabei werden die zentralen Argumentationsschritte der Richter vorgestellt und erarbeitet. Auf dieser Grundlage werden die Teilnehmer in eine Kritik der Entscheidungen einbezogen. Dazu werden beispielsweise zentrale Aussagen mit der Aufgabe vorgestellt, argumentative Fehler aufzuspüren oder alternative Entscheidungsmöglichkeiten zu begründen. Auch werden die Teilnehmer in Teams aufgeteilt, um über die Kernfragen der Entscheidungen zu streiten.

 

Arbeitsklima

In diesem Seminar wird intensiv gearbeitet, die Teilnehmer werden intellektuell gefordert. Mit kritischen Fragen oder neuen Sichtweisen bereichern sie die gegenüber den Teilnehmern und den Themen respektvolle Diskussion. Auch bei den als „Vortrag“ gekennzeichneten Programmpunkten ist ihre Einmischung ausdrücklich erwünscht. Fragen, die aus Interesse gestellt werden, sind niemals dumm.

 

Ablauf

 

  1. Tag

 

13:00 Ankunft und gemeinsames Mittagessen

 

14:00 Vorstellungsrunde

 

14:15 Einführung: Fragen und Antworten zu Grundrechten und zum Strafrecht u.a.: Warum Strafe? Wie werden strafrechtliche Normen angewendet?

Welche Grenzen bestehen für richterliche Macht? Was sind Grundrechte? Was wird bei einer Verfassungsbeschwerde geprüft?

 

16:00 Kaffeepause

 

16:15 Die Entscheidung zum Cannabis-Konsum (1994)

Einführung: Verfassungsrechtliche Prüfung einer Norm

Kritik: Alkohol ist keine Droge?

Diskussion: Ein Fall für das Strafrecht? Der Unterschied zwischen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und strafwürdigem Verhalten

 

17:30 Die Entscheidung zur Homosexualität (1957)

Vortrag: Entwicklung der Entkriminalisierung von Homosexualität

Kritik: Wie das BVerfG zu begründen versuchte, warum man lesbisch, aber nicht schwul sein durfte

 

18:30 Abendessen

 

19:30 Juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen? (1945 bis heute)

Vortrag

 

20:30 Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“

 

 

  1. Tag

 

8:00 Frühstück

 

9:00 Die Entscheidungen zur Abtreibung (1975 und 1993)

Einführung: Die verschiedenen Regelungen zur Abtreibung

Streitgespräch: Lebensrecht des Embryos oder Selbstbestimmungsrecht der Mutter? Darstellung und Diskussion der Entscheidungen

 

11:00 Kaffeepause

 

11:15 Die Entscheidungen zu Sitzblockaden (1986, 1995, 2011)

Die Richter streiten sich: Was ist Gewalt? (Inwieweit) kommt es auf die politischen Ziele einer Blockade an?

 

12:30 Mittagessen

 

14:00 Die Entscheidungen zu den DDR-Mauerschützen (1992, 1994, 1995, 1996)

Quiz zum Einstieg ins Thema Grenzsoldaten und/oder Politbüro? Wer ist Täter?

Gilt ungerechtes Recht? (Wann) darf man Ausnahmen von der Geltung von Gesetzen machen?

 

16:00 Kaffeepause

 

16:15 Zusammenfassung und Abschlussdiskussion

 

17:00 Verabschiedung

 

Literaturempfehlungen (kein Muss, aber anregend, kurz und gut zu lesen)

Joe Bausch: Knast (Was Freiheitsentzug bedeutet)

Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht, S. 319: Die Richter-Blockade in Mutlangen (Sitzblockaden)

Ferdinand v. Schirach: Der Fall Collini (NS-Aufarbeitung)

Uwe Wesel: Was alles, was Recht ist, Kapitel 4 (Einführung ins Strafrecht und Sitzblockaden)

Grundgesetz, Artikel 1 – 19

 

Leitung

Dr. Kiyomi von Frankenberg

 

Veranstaltet in Kooperation mit der Jakob-Kaiser-Stiftung.

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